09 Oktober, 2015

Visual Storytelling: Farben erzählen Geschichten

„It´s safe to say that color is a very complex beast“ Mark D.West sagt dies in seinem Buch „Stories that Move Mountains“ und er meint damit die schwierige Frage, welche Farbe denn die richtige für die eigene Story ist. Und wie man sich überhaupt am Besten mit dem Thema Farbe auseinandersetzte sollte.

Wann hat man das schon wirklich bewußt mal getan? 

Ihre Lieblingsfarbe?
Wann haben Sie sich das letzte Mal ernsthaft mit Farben auseinandergesetzt? Bei der Frage Ihrer Tochter, welches denn Ihre Lieblingsfarbe sei? Eine Frage, bei der es Ihnen ausgesprochen schwer fiel, schnell eine passende Antwort zu finden. Oder bei der Frage Ihrer Frau oder Ihres Ehemannes, ob man denn nicht auch einmal eine der eigenen vier Wände bunt streichen sollte, weil das doch jetzt so modisch sei und es die Müllers und Meiers auch gemacht hätten. Auch eine Frage, auf die Sie nicht so wirklich schnell eine Antwort parat hatten. Oder aber die Frage der Marketingagentur im letzten Meeting, die wissen wollte, ob man die Farben des Corporate Logos nach dreißig Jahren jetzt vielleicht doch aktueller, frischer, digitaler überarbeiten sollte. Auch eine Frage, die gar nicht so  …

Farben sind nicht selbstvertändlich
Farben sind uns so selbstverständlich, dass die meisten von uns sich nicht wirklich aktiv damit beschäftigen. Erst die Abwesenheit von Farbe zeigt uns ihre Bedeutung. Neil Harbisson wurde diese Bedeutung erst als junger Mann bewusst. Denn bis dahin bestand seine Welt ausschließlich aus den Farben Schwarz, Weiß und verschiedenen Grautönen. Doch er wusste dies nicht. Harbisson leidet unter Achromatopsie. Er ist komplett farbenblind. Doch obwohl ihm die Ärzte sagten, dass er nie Farben sehen werden, erschloss sich die erstaunliche Welt der Farben für Neil Harbission doch noch. Während seines Musikstudiums lernte er einen jungen Ingenieur und Kybernetiker kennen, der ihm half ein Gerät zu entwickeln, das es ihm ermöglichte Farben zu … hören! Ein Computer, ausgestattet mit einer Kamera und Kopfhörern, registriert die Spektralwerte der Farbe, die Neil sieht, und übersetzt diese Werte in bestimmte Töne. So kommt es, dass Neil Harbisson heute die Welt als farbige Komposition hört und daher sehr wohl mehr wahrnimmt als nur schwarz, weiß und grau. Die erstaunliche Erfahrung seiner Behinderung und der Überwindung dieser beschreibt Harbisson in einer wunderbaren Rede auf der TED-Konferenz 2012. „Ilisten to colorist für uns alle sehens- und hörenswert, denn es erinnert jeden von uns an die hohe Bedeutung von Farbe.

Farben definieren mehr als nur Gestalt und Aussehen
Farben definieren Gestalt und Aussehen von allem, was wir sehen. Sie sind aber weit mehr. Wir nutzen sie intuitiv emotional. Sie wecken in uns Gefühle. Sie wecken in uns Erinnerungen und wir verwenden Sie als Symbole und Codes.
Für die Kunst des visuellen Storytelling sind Farben daher von ganz besonderer Bedeutung. Wer sich mit der Kunst des Geschichtenerzählens auseinandersetzt, sollte sich mit der Kraft der Farben und ihren Möglichkeiten vertraut machen.
Ein erster Einstieg in die Kunst des farbenreichen Erzählens ist definitiv das Video von Lewis Bond „Colour inStorytelling“. Bond lädt mit einem orgiastischen Farbrausch dazu ein, die Welt der Farben im Film zu entdecken und den absichtsvollen Einsatz bestimmter Farben in Filmsszenen selbst zu erfahren. Bond erläutert dabei auch ausführlich die drei Komponenten von Farbe, die jedem, der sich mit visuellem Storytelling beschäftigt, vertraut sein sollten: Farbton, Farbsättigung und Farbwert. Was passiert beim Betrachter, wenn man einen der drei Komponenten verändert? Welchen Einfluss kann Farbe auf den Verlauf einer Geschichte nehmen, wenn man Farbton, -wert oder Farbsättigung manipulativ einsetzt. Die Wirkung ist enorm und Bond unterstreicht dies mit unzähligen Beispielen.

Farben verdichten Gefühle
Das Orange von Uma Thurmans Hosenanzug in „Kill Bill“ ist kein Zufall. Die Farbauswahl der fünf Protagonisten im aktuellen Pixarfilm  „Alles steht Kopf“ entspricht genau unserer Vorstellung der Farbe bestimmter Gefühle (Grün ist Ekel, Rot ist Wut, Gelb ist Freude, Blau ist Kummer und Angst ist lila) und im Film „Der letzte Kaiser“ markieren die Farbveränderunge von Rot, zu Gelb und schließlich zu Grün die Lebensabschnitte des Kaisers und seine mentale Veränderung.
Farbe kann Geschichten assoziativ unterstützen. Sie kann uns in Sicherheit wiegen und damit die Immersion in die Story vorantreiben. Wir tauchen komplett ein in die Geschichte und lassen uns als Zuschauer mit dem Blick auf vertraute Farben treiben. Farbe kann aber auch disruptiv und irritierend eingesetzt werden. Sie kann Dinge hervorherben, herausheben, Einschnitte markieren und mit diesem ungewöhnlichen Einsatz eine Geschichte vorantreiben.
Entscheidend ist der bewußte Einsatz von Farbe. Achten Sie bei Ihrem nächsten Kinobesuch auf die Farben. Farben – an Wänden, an Kleidung, an allen Gegenständen, aber auch der Landschaft, in der eine Geschichte spielt - verdichten eine Atmosphäre oder stehen sogar als Metapher für die Gefühlswelt der Protagonisten der Story. Nichts ist hier dem Zufall überlassen.

Eine Welt nur in weiß?
Natürlich ist Corporate Storytelling noch lange nicht Hollywood. Oder doch? Wenn man sich den Werbespot der Marke Dulux ansieht, möchte man das schon meinen. „Colorless Future“ zeigt eine uniforme Science-Fiction-Welt, in der die Farbe Weiß die Macht übernommen hat und alle anderen Farben in den Untergrund gezwungen wurden. Eine smarte Überhöhung des Markenversprechens von Dulux und eine herrliche Analogie für die Bedeutung von Farbe in unserem Leben – schon heute.
Aber auch wenn Sie nicht zufällig Farbenhersteller sind:  Ihr Unternehmen, Ihr Produkt, Ihre Marke kann sich der Bedeutung von Farben nicht entziehen. Und damit ist eben nicht nur die „Corporate Color“ und das Markenhandbuch gemeint, das die Farben Ihres Logos definiert.

Visual Storytelling  - visuelle Erzählen - zwingt uns – ganz besonders in der Unternehmenskommunikation und im Marketing – mit der Komponente „Farbe“ viel intensiver auseinanderzusetzen, als wir das in der herkömmlichen Kommunikation bisher gewohnt waren.
Daher also die Frage: Mit welchen Farben, erzählen Sie Ihre Geschichte?

(Interesse mehr zu erfahren? Dann interessiert Sie vielleicht folgendes Buch: „Visual Storytelling“ von Petra Sammer und Ulrike Heppel. D-punkt Verlag 2015)

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